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Friedenspreis 2023

Salman Rushdie

Der Stiftungsrat hat den Schriftsteller Salman Rushdie zum Friedenspreisträger des Jahres 2023 gewählt. Die Verleihung fand am Sonntag, 22. Oktober 2023, in der Frankfurter Paulskirche statt. Die Laudatio hielt der Schriftsteller Daniel Kehlmann.

Begründung der Jury

Seit seinem 1981 erschienenen Meisterwerk »Mitternachtskinder« beeindruckt Salman Rushdie durch seine Deutungen von Migration und globaler Politik. In seinen Romanen und Sachbüchern verbindet er erzählerische Weitsicht mit stetiger literarischer Innovation, Humor und Weisheit. Dabei beschreibt er die Wucht, mit der Gewaltregime ganze Gesellschaften zerstören, aber auch die Unzerstörbarkeit des Widerstandsgeistes Einzelner.

Weil der iranische Ajatollah Chomeini 1989 eine Fatwa gegen ihn ausgesprochen hat, lebt Salman Rushdie in ständiger Gefahr. Dennoch ist er nach wie vor einer der leidenschaftlichsten Verfechter der Freiheit des Denkens und der Sprache – und zwar nicht nur seiner eigenen, sondern auch der von Menschen, deren Ansichten er nicht teilt. Unter hohen persönlichen Risiken verteidigt er damit eine wesentliche Voraussetzung des friedlichen Miteinanders.

Kurz vor Veröffentlichung seines jüngsten Romans »Victory City« wurde er im August 2022 Opfer eines Mordanschlags. Trotz massiver körperlicher und psychischer Folgen, mit denen er noch immer ringt, schreibt er weiter: einfallsreich und zutiefst menschlich. Wir ehren Salman Rushdie für seine Unbeugsamkeit, seine Lebensbejahung und dafür, dass er mit seiner Erzählfreude die Welt bereichert.

Reden

Sehr geehrter Herr Rushdie, Sie sind ein Vorbild. Sie haben die Werte des Paulskirchenparlaments in die Welt getragen.

Mike Josef - Grußwort des Oberbürgermeisters zum Nachlesen
Mike Josef
Grußwort des Frankfurter Oberbürgermeisters zum Anhören

Wir ehren heute einen Mann, der trotz all dem, was ihm widerfahren ist seine Stimme erhebt und für die Freiheit des Denkens und des Wortes eintritt.

Karin Schmidt-Friderichs - Grußwort der Vorsteherin zum Nachlesen
Karin Schmidt-Friderichs
Grußwort der Vorsteherin zum Anhören

Salman Rushdie ist das Gegenteil eines weltabgewandten Menschen. Das macht das Wesen seiner Persönlichkeit, vor allem aber auch seiner Kunst aus: Was immer in der gärenden Substanz des Weltgeistes geschieht, er nimmt es vor uns anderen wahr.

Daniel Kehlmann - Laudatio zum Nachlesen
Daniel Kehlmann
Laudatio zum Anhören

Was aber tun wir in Sachen Meinungsfreiheit, wenn sie auf derart vielfältige Weise missbraucht wird? Wir sollten weiterhin und mit frischem Elan machen, was wir schon immer tun mussten: schlechte Rede mit besserer Rede kontern, falschen Narrativen bessere entgegensetzen, auf Hass mit Liebe antworten und nicht die Hoffnung aufgeben, dass sich die Wahrheit selbst in einer Zeit der Lügen durchsetzen kann.

Salman Rushdie - Dankesrede zum Nachlesen
Salman Rushdie
Dankesrede auf Englisch zum Anhören

Das Buch mit den Reden zum Friedenspreis auf deutsch und englisch erscheint am 20. November 2023. Es kostet 19,90 € und ist im Buchhandel oder beim MVB-Kundenservice (Tel 069/1306-550, kundenservice@mvb-online.de) erhältlich.

Biographie

Sir Salman Ahmed Rushdie, geboren am 19. Juni 1947 in Bombay (heute Mumbai, Indien), gehört zu den bedeutendsten Schriftstellern der englischsprachigen Gegenwartsliteratur. Seine Romane, die in über 40 Sprachen übersetzt wurden, verknüpfen häufig magischen Realismus mit historischer Fiktion. Sie handeln von Verbindungen, Migration und Brüchen zwischen östlichen und westlichen Zivilisationen und sind oft auf dem indischen Subkontinent angesiedelt. Rushdie schreibt neben Romanen auch Kurzgeschichten, Reiseberichte, Essays und journalistische Beiträge.

Darstellungen des Propheten Mohammed in Rushdies viertem Roman »Die Satanischen Verse« nahm der damalige Oberste Führer des Iran, Ruhollah Chomeini, 1989 zum Anlass, den Schriftsteller mittels einer Fatwa zum Tode zu verurteilen. Rushdie und sein berufliches Umfeld wurden seitdem zum Gegenstand zahlreicher Morddrohungen und Attentate durch Extremisten. Er selbst lebte jahrzehntelang unter Polizeischutz im Untergrund. Wirkungsvoll beteiligt er sich an Debatten über Zensur, Meinungsfreiheit und religiös motivierte Gewalt. Er setzt sich in seinem Schaffen für die friedliche Koexistenz von Kulturen ein.

Von 2004 bis 2006 war Rushdie Präsident des PEN-American-Center und anschließend für zehn Jahre Vorsitzender des PEN World Voices International Literary Festival. Am 12. August 2022 wurde er durch ein Attentat während einer Konferenz in New York lebensgefährlich verletzt.

Für sein literarisches Schaffen und sein gesellschaftliches Engagement wurde Salman Rushdie mit zahlreichen internationalen Preisen bedacht. Im Jahr 2007 erhob Queen Elizabeth II den Schriftsteller als Knight Bachelor in den Ritterstand. Am 22. Oktober 2023 erhält er in der Frankfurter Paulskirche den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.


Salman Ahmed Rushdie wuchs mit drei Schwestern als Sohn eines wohlhabenden muslimischen Geschäftsmannes und einer Lehrerin in einem literaturliebenden Haushalt im kosmopolitisch-liberalen Bombay der 1950er Jahre auf. Seine Muttersprache ist Urdu. 1964 zog die Familie nach Pakistan. Mit 14 Jahren siedelte Rushdie nach England um, wo er in Rugby ein Eliteinternat besuchte und mit der englischen Sprache so vertraut wurde, dass er sie zu seiner Literatursprache machte. Er studierte Geschichte am King’s College in Cambridge und nahm dort Theaterunterricht.

Seine berufliche Laufbahn begann er zunächst als freier Journalist und Theaterschauspieler, wobei er seinen Lebensunterhalt als Texter in einer Werbeagentur verdiente. Um 1973 begann er, schriftstellerisch tätig zu sein. Sein Romandebüt »Grimus« erschien 1975, sein zweiter Roman »Mitternachtskinder« über das Leben einer Familie zur Zeit der Unabhängigkeitswerdung Indiens bescherte ihm 1981 internationale Bekanntheit durch Bestsellerplatzierungen in Großbritannien und den USA. Das Buch wurde mit dem britischen Booker-Preis ausgezeichnet.

Mit seinem vierten Roman »Die Satanischen Verse«, der vom Leben indischer Einwander*innen in England handelt, konnte er zunächst an den Erfolg von »Mitternachtskinder« anknüpfen. Satirische Darstellungen von Episoden aus dem Leben des Propheten Mohammed und ein Romanabschnitt, in dem Sexarbeiterinnen die Namen der Frauen des Propheten gegeben werden, wurden jedoch von zahlreichen Muslim*innen mit Empörung aufgenommen. Der Oberste Führer des Irans, Chomeini, rief im Februar 1989 mit dem Erlass einer Fatwa die muslimische Bevölkerung weltweit zum Mord an Salman Rushdie auf und setzte ein Kopfgeld auf den Schriftsteller aus. Die Fatwa wurde vom Iran auch nach dem Tod Chomeinis aufrechterhalten. Unter Polizeischutz lebte Rushdie von diesem Zeitpunkt an mit falscher Identität an ständig wechselnden Orten.

In Deutschland wurden »Die Satanischen Verse« von einem Kollektiv aus rund 100 Verlagen, Schriftsteller*innenverbänden, Herausgeber*innen und Autor*innen im eigens dafür gegründeten »Artikel 19 Verlag« veröffentlicht, dessen Name auf die Meinungsfreiheit in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verweist. So wollte man verhindern, dass ein Verlag allein zum Angriffsziel möglicher Vergeltungsschläge würde. Bis heute ist nicht öffentlich bekannt, wer den Roman ins Deutsche übersetzt hat. Die Proteste gegen das Buch in Form von gewaltvollen Demonstrationen, Bücherverbrennungen, Brandanschlägen auf Buchhandlungen, Attentate auf Kulturfestivals und auf an den Veröffentlichungen Beteiligte forderten weltweit zahlreiche Todesopfer. Im Juli 1990 beispielsweise verübten Unbekannte Attentate auf den italienischen und den japanischen Übersetzer der »Satanischen Verse«. Letzterer erlag seinen Verletzungen. Der Verleger des Buches in Norwegen wurde 1993 durch Schüsse schwer verletzt.

1998 erklärte der damalige iranische Präsident Mohammed Khatami »die Angelegenheit Salman Rushdie« als abgeschlossen und distanzierte sich in einer Vereinbarung mit Großbritannien offiziell von der Fatwa; seit 1999 verzichtet Rushdie auf Personenschutz. Konservative religiöse Hardliner halten jedoch an der Fatwa, die nicht zurückgenommen werden könne, fest – das Kopfgeld wurde zuletzt 2016 auf fast 4 Millionen US-Dollar erhöht. Von seinem Leben unter Polizeischutz erzählt Rushdie in seiner Autobiographie »Joseph Anton« (ein Pseudonym, das auf seine Lieblingsschriftsteller Joseph Conrad und Anton Chechow verweist), die 2012 erschien.

In den 1990er und 2000er Jahren veröffentlichte Salman Rushdie zahlreiche Kurzgeschichten und Romane, die zum Großteil als literarische Meisterleistungen gewürdigt wurden und das Aufeinanderprallen östlicher und westlicher Zivilisationen, den Widerspruch zwischen Religion und Vernunft sowie Migrationen und Brüche zum Thema haben, darunter »Osten, Westen« (1994), »Des Mauren letzter Seufzer« (1995), »Der Boden unter ihren Füßen« (1998), »Wut« (2002), »Shalimar der Narr« (2005), »Die bezaubernde Florentinerin« (2008), »Luka und das Lebensfeuer« (2010), »Zwei Jahre, acht Monate und achtundzwanzig Nächte« (2015), »Golden House« (2017) und »Quichotte« (2019).

Von der Geschichte einer Gewürzhändlerfamilie, anhand derer Rushdie ein Panorama indischer Geschichte bis in die vom aufkommenden Rassismus überschattete Jetztzeit nachzeichnet, über einen Hochseilartisten, der zum islamistischen Terroristen und Profikiller wird, nachdem seine Frau, eine Tänzerin, ihn für den amerikanischen Botschafter verlassen hat, über eine Persiflage auf den ehemaligen US-Präsidenten als Nebenfigur in »Golden House«, bis hin zu einem modernen Quichotte, der mit Sancho als Beifahrer auf der Suche nach seiner Dulcinea, einer indisch-amerikanischen Fernsehtalkerin, quer durch die USA irrt – Rushdies Romane und ihr Personal sind eine faszinierende Mischung aus Realität und Fiktion, versehen mit einer Aufforderung, die Menschen und ihre Geschichten aus anderen Perspektiven zu betrachten, um ihre Stärken und Schwächen zu erkennen.

Auch in seinen Sachbüchern beweist Rushdie, dass er ein Autor von Weltrang ist: Der Sammelband »Überschreiten Sie diese Grenze« (2019) mit Kommentaren über das Schreiben, die iranische Fatwa oder den 11. September 2001 ist ein Plädoyer für das Miteinander von Menschen und Kulturen; in »Sprachen der Wahrheit« (2021) reflektiert Rushdie in Essays, Glossen und Reden über die Kraft des Erzählens und die Suche nach einer allgemeingültigen Sprache sowie über weltpolitische Ereignisse und spricht sich vehement gegen Unterdrückung und Diskriminierung aus.

Kurz nach der Vollendung seines Romans »Victory City«, wurde Salman Rushdie am 12. August 2022 bei einer Veranstaltung im Bundesstaat New York von einem Angreifer auf der Bühne niedergestochen und lebensgefährlich verletzt. Weltweit wurden spontane Solidaritätslesungen abgehalten. Die Erleichterung war groß, als verkündet wurde, dass Rushdie überlebt habe, zugleich war man bestürzt über den Verlust eines Auges und die nachhaltige Beeinträchtigung der Schreibhand. Die Veröffentlichung von »Victory City« Anfang 2023, einer matriarchalischen Utopie, die Themen wie Machtmissbrauch und Liebe behandelt und vom Aufstieg und Fall einer wundersamen Stadt berichtet, erhielt angesichts des Attentats eine zusätzliche, in die heutige Realität weisende bedrückende Dimension. Der Roman endet mit dem Satz: »Worte sind die einzigen Sieger.«

Anfang Juni 2023 kündigte Salman Rushdie an, ein Buch über das auf ihn verübte Attentat schreiben zu wollen. »Es ist nicht das einfachste Buch der Welt, aber es ist etwas, das ich hinter mir lassen muss, um etwas anderes zu tun«, so Rushdie auf dem Hay Literaturfestival. In einem Interview mit dem portugiesischen Fernsehsender RTP fügte er hinzu: »Das ist es, was Schriftsteller tun können: Sie können überdauern, was ihnen entgegensteht.«

Auszeichnungen

2023 Friedenspreis des Deutschen Buchhandels
2019 Welt-Literaturpreis
2019 Schweizer Freidenkerpreis
2018 Emperor Has No Clothes Award der Freedom From Religion Foundation
2015 Mailer-Prize Lebenswerk
2015 Médaille d'or du Círculo de Bellas Artes
2014 Hans-Christian-Andersen-Literaturpreis
2014 PEN-Pinter-Prize
2013 Canadian Screen Award
2010 Golden PEN Award


2009 St. Louis Literary Award
2008 The Best of Bookers Prize
2008 James Joyce Award
2007 Ritter des Britischen Empire
2007 Outstanding Lifetime Achievement in Cultural Humanism (Harvard University)
2005 Vodafone Crossword Book Award
2000 Commonwealth-Literaturpreis in der Kategorie Eurasien
1999 Ordre des Arts et des Lettres
1999 Ehrendoktorwürde der FU Berlin
1996 Aristeion-Literaturpreis der Europäischen Union
1996 British Book Award
1996 Whitbread-Fiction-Preis
1993 Booker of Bookers Prize
1992 Mythopoeic Award
1992 schwedischer Kurt-Tucholsky-Preis
1992 Österreichischer Staatspreis für Europäische Literatur
1991 Writers Guild of Great Britain-Prize
1990 Goldene Feder
1988 Whitbread-Prize
1985 Prix du Meilleur Livre étranger
1984 Prix du Meilleur Livre Étranger
1981 Booker-McConnell-Prize
1981 James Tait Black Prize

Bibliographie (Auswahl)

»Victory City«

Aus dem Englischen von Bernhard Robben, Penguin Verlag, München 2023, 416 Seiten, ISBN 978-3-328-60294-1, 26,00 €

»Die Satanischen Verse«

Aus dem Englischen, Penguin Verlag, München 2022 (orig. 1988), 715 Seiten, ISBN 978-3-328-60304-7, 28,00 €

»Joseph Anton«

Autobiografie, aus dem Englischen von Bernhard Robben und Verena von Koskull, Penguin Verlag, München 2022 (orig. 2012), 720 Seiten, ISBN 978-3-328-11033-0, 17,00 €

»Osten, Westen«

Kurzgeschichten, aus dem Englischen von Gisela Stege, btb Verlag, München 2019 (orig. 1995), 192 Seiten, ISBN 978-3-442-74661-3, 8,99 €

»Harun und das Meer der Geschichten«

Aus dem Englischen von Gisela Stege, Penguin Verlag, München 2019 (orig. 1990), 256 Seiten, ISBN 978-3-328-10603-6, 12,00 €

»Mitternachtskinder«

Aus dem Englischen von Karin Graf, Penguin Verlag, München 2018 (orig. 1981), 736 Seiten, ISBN 978-3-328-10380-6, 14,00 €

Vollständige Bibliographie

2023 »Victory City« (Victory City). Aus dem Englischen von Bernhard Robben. Penguin, München 2023

2021 »Sprachen der Wahrheit. Texte 2003–2020« (Languages of Truth). Aus dem Englischen von Sabine Herting et al. Bertelsmann, München 2021

2019 »Quichotte« (Quichotte). Aus dem Englischen von Sabine Herting. C. Bertelsmann, München 2019

2017 »Golden House« (The Golden House). Aus dem Englischen von Sabine Herting. C. Bertelsmann, München 2017

2015 »Zwei Jahre, acht Monate und achtundzwanzig Nächte« (Two Years Eight Months and Twenty-Eight Nights). Aus dem Englischen von Sigrid Ruschmeier. C.Bertelsmann, München 2015

2012 »Joseph Anton: Die Autobiografie« (Joseph Anton: A Memoir). Aus dem Englischen von Bernhard Robben et al. Bertelsmann, München 2012

2010 »Luka und das Lebensfeuer« (Luka and the Fire of Life). Aus dem Englischen von Bernhard Robben. Rowohlt, Reinbek 2011

2008 »Die bezaubernde Florentinerin« (The Enchantress of Florence). Aus dem Englischen von Bernhard Robben. Rowohlt, Reinbek 2009

2005 »Shalimar der Narr« (Shalimar the Clown). Aus dem Englischen von Bernhard Robben. Rowohlt, Reinbek 2006

2004 »Überschreiten Sie diese Grenze! Schriften 1992–2002« (Step Across This Line). Aus dem Englischen von Gisela Stege et al. Rowohlt, Reinbek 2004

2001 »Wut« (Fury). Aus dem Englischen von Gisela Stege. Kindler, München 2002

1999 »Der Boden unter ihren Füßen« (The Ground Beneath Her Feet). Aus dem Englischen von Gisela Stege. Kindler, München 1999

1995 »Des Mauren letzter Seufzer« (The Moor’s Last Sigh). Aus dem Englischen von Gisela Stege. Kindler, München 1996

1995 »Osten, Westen« (East, West). Kurzgeschichten. Aus dem Englischen von Gisela Stege. Kindler, München 1995

1992 »Heimatländer der Phantasie. Essays und Kritiken 1981–1991« (Imaginary Homelands). Deutsch von Gisela Stege. Kindler, München 1992

1990 »Harun und das Meer der Geschichten« (Haroun and the Sea of Stories). Aus dem Englischen von Gisela Stege. Kindler, München 1991

1988 »Die satanischen Verse« (The Satanic Verses). Artikel-19-Verlag, o.O. 1989

1987 »Das Lächeln des Jaguars. Eine Reise durch Nicaragua« (The Jaguar Smile. A Nicaraguan Journey). Aus dem Englischen von Melanie Walz. Piper, München 1987

1983 »Scham und Schande« (Shame). Aus dem Englischen von Karin Graf. Piper, München 1985

1981 »Mitternachtskinder« (Midnight’s Children). Aus dem Englischen von Karin Graf. Piper, München 1983

1975 »Grimus« (Grimus). Deutsch von Gisela Stege. Kindler, München 1998

Laudator Daniel Kehlmann

Daniel Kehlmann, 1975 in München als Sohn des Regisseurs Michael Kehlmann und der Schauspielerin Dagmar Mettler geboren, wuchs in Wien auf, wo er Philosophie und Germanistik studierte. Sein Großvater war der expressionistische Schriftsteller Eduard Kehlmann. Er lebt heute mit seiner Familie in Berlin und zeitweise in New York. Daniel Kehlmann ist seit vielen Jahren mit Salman Rushdie befreundet.

Kehlmann gehört zu den bedeutendsten deutschsprachigen Schriftstellern der Gegenwart und hat mit populären Romanen, Theaterstücken und Drehbüchern ein umfangreiches und viel diskutiertes Werk in die Welt gesetzt. Romane wie „Beerholms Vorstellung“ (1997) und „Mahlers Zeit“ (1999) machten ihn in Deutschland populär; der internationale Durchbruch gelang Kehlmann mit dem Roman „Ich und Kaminski“ (2003). Ein Sensationserfolg wurde der 2005 veröffentlichte Unterhaltungsroman über Wissenschaftsgeschichte „Die Vermessung der Welt“, der in mehr als 40 Sprachen übersetzt wurde und mit weltweit sechs Millionen verkauften Exemplaren zu einem der erfolgreichsten Bücher der deutschen Nachkriegsliteratur zählt. Weitere bekannte Romane Kehlmanns sind „Ruhm“ (2009), „F“ (2013), und „Tyll“ (2017).

Ein besonderes Merkmal von Kehlmanns Werken, die oftmals als historische Abenteuerromane angelegt sind, ist die Verschmelzung von Realität und Illusion. Beeinflusst wird sein Schreiben von Autor*innen aus dem angloamerikanischen Raum wie Salman Rushdie, Jonathan Franzen, Ian McEwan, Zadie Smith und Vladimir Nabokov, sowie aus dem lateinamerikanischen Raum, darunter Gabriel Garcia Marquez, Mario Vargas Llosa und Jorge Luis Borges. Wie manche dieser Autor*innen wird auch Kehlmann als Autor oft dem Stil des Magischen Realismus zugeordnet – da dieser Begriff jedoch auf den Glauben indigener mittelamerikanischer Völker an Magie im Alltag verweist, wird Kehlmanns Stil auch als „gebrochener Realismus" bezeichnet: als Brechung des europäischen Rationalismus mit lateinamerikanischer Imagination und Fabulierfreude.


In seinen komplexen Erzählarrangements zeigt sich eine Lust an Provokation, während sich seine Werke mit Themen wie Vernunftkritik und der Frage nach der Erzählbarkeit von Geschichte auseinandersetzen. Kehlmanns Schaffen zeichnet sich durch zahlreiche Bezüge zu bekannten Prätexten aus und durch eine kritische Auseinandersetzung mit der deutschen Nachkriegsliteratur sowie durch ein postmodernes Spiel mit Zeichen, die von Lesenden entschlüsselt werden müssen. Seine Werke enthalten intermediale Bezüge zu anderen Kunstformen wie Malerei oder Film, aber auch zu den Naturwissenschaften, der Philosophie, Theologie und Germanistik.

Neben Romanen verfasste er zahlreiche Theaterstücke und Drehbücher sowie Rezensionen, Essays und Kolumnen für diverse Pressemedien, u. a. "DIE ZEIT", "DER SPIEGEL", "The Guardian", "Frankfurter Allgemeine Zeitung", "Süddeutsche Zeitung", "Literaturen" und "Volltext".

Für sein Werk wurde Kehlmann unter anderem mit dem Candide-Preis, dem WELT-Literaturpreis, dem Per-Olov-Enquist-Preis, dem Kleist-Preis, dem Thomas-Mann-Preis und dem Friedrich-Hölderlin-Preis, dem Frank-Schirrmacher-Preis, dem Schubart-Literaturpreis und dem Anton-Wildgans-Preis ausgezeichnet. Sein Roman „Tyll“ stand auf der Shortlist für den International Booker Prize.

Im Jahr 2001 hatte Kehlmann eine Gastdozentur für Poetik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz inne. Im Wintersemester 2005/06 übernahm er die Poetikdozentur an der Fachhochschule Wiesbaden und im Wintersemester 2006/07 an der Universität Göttingen. 2010 war er gemeinsam mit Jonathan Franzen und Adam Haslett Gast der Tübinger Poetik-Dozentur. Im Dezember 2010 fungierte er als Literator-Dozent für Weltliteratur am IK Morphomata der Universität zu Köln. Zudem war er Gastprofessor am German Department der New York University. Im Sommersemester 2014 hielt Daniel Kehlmann die Frankfurter Poetik-Vorlesungen an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main.

Darüber hinaus ist er Mitglied der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur, der Freien Akademie der Künste in Hamburg und der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Er gehört zu den Mitgründer*innen des PEN Berlin.

News

Prozess gegen Attentäter von Salman Rushdie verschoben (Der Spiegel, 4. Januar 2024)

Das Gericht gibt der Verteidigung die Möglichkeit, vor Prozessbeginn das Manuskript lesen, das der Friedenspreisträger 2023, Salman Rushdie, über das Attentat geschrieben hat.