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Friedenspreis 1984

Octavio Paz

Der Stiftungsrat hat den mexikanischen Schriftsteller und Diplomaten Octavio Paz zum Träger des Friedenspreises 1984 gewählt. Die Verleihung fand während der Frankfurter Buchmesse am Sonntag, 7. Oktober 1984, in der Paulskirche zu Frankfurt am Main statt. Die Laudatio hielt Bundespräsident Richard von Weizsäcker.

Begründung der Jury

Den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verleiht der Börsenverein im Jahre 1984Octavio Pazdem mexikanischen Lyriker, Essayisten, Kritiker und Diplomaten, für den poetische und politische Moral untrennbar sind.

Die Freiheit ist für ihn Grundvoraussetzung für das Miteinander der Menschen. Er beschwört sie in seinen Gedichten, verteidigt sie in seinen Essays und lebt für sie als Bürger und Mensch.

Reden

Günther Christiansen
Grußwort des Vorstehers

Er spricht für Lateinamerika. Dabei stößt er zum Kern des Lebens vor. Indem er es tut, verleugnet er nicht Zeit, Geschichte, Tradition, Geographie, Hautfarbe, soziale Befindlichkeit. Und doch überschreitet er sie zugleich. Er denkt und fühlt, er spricht und dichtet auch für uns. Wie er begabt ist zum Leben und Zusammenleben, so dient er dem Frieden des Menschen mit dem Leben.

Richard von Weizsäcker - Laudatio auf Octavio Paz
Richard von Weizsäcker
Laudatio

Der Dialog schließt das Ultimatum aus und ist so ein Verzicht auf das Absolute mit seinem despotischen Totalitätsanspruch: Wir sind relativ, und es ist relativ, was wir sagen und was wir hören. Aber diese Relativität impliziert keine Resignation: Damit der Dialog stattfindet, müssen wir bejahen, was wir sind, und zugleich den anderen in seiner unbeugsamen Andersheit anerkennen. Der Dialog verbietet uns, uns zu negieren und die Menschlichkeit unseres Gegners zu negieren.

Octavio Paz - Dankesrede
Octavio Paz
Dankesrede des Preisträgers

Chronik des Jahres 1984

+++ Bei dem Besuch von Bundeskanzler Kohl im Januar 1984 in Israel, um die entstandenen Unstimmigkeiten auszuräumen, die sich wegen geplanter Waffenlieferungen der Bundesrepublik an Saudi-Arabien entwickelt hatten, wird die deutsche Nationalhymne erstmals öffentlich in Israel gespielt. Kurz danach hebt der israelische Rundfunk auch den Boykott der Werke von Richard Strauss und Richard Wagner auf. +++ Der über die Parteigrenzen hinweg populäre Richard von Weizsäcker wird im Mai mit großer Mehrheit zum sechsten Bundespräsidenten gewählt. +++


Die im August in Los Angeles stattfindenden Olympischen Sommerspiele werden mit Ausnahme Rumäniens von allen Ostblock-Staaten boykottiert, weil die Sicherheit der Sportler nicht gewährleistet sei. Inoffiziell wird das Ausbleiben als Revanche für den Boykott der Olympischen Spiele in Moskau 1980 gewertet. +++ Frankreichs Staatspräsident Mitterrand und Bundeskanzler Kohl setzen am 22. September auf dem blutigsten Schlachtfeld des Ersten Weltkrieges, in Verdun, ein Zeichen der Freundschaft. Hand in Hand gedenken sie gemeinsam der Gefallenen. +++ Am 31. Oktober wird die indische Ministerpräsidentin Indira Gandhi von zwei Mitgliedern ihrer Leibwache erschossen. Die Täter gehören der Religionsgemeinschaft der Sikhs an, deren Nationalheiligtum, der Goldene Tempel in Amritsar, im Juni von Regierungstruppen erstürmt worden war. +++ In der indischen Stadt Bhopal sterben im Dezember etwa 2000 Menschen an den Folgen einer Giftgaskatastrophe. Das Ausströmen von hochgiftigen Gasen aus einem undichten Ventil einer Pflanzenschutzmittelfabrik führt zu dem Unglück, das auch Tausende von Menschen das Augenlicht kostet. +++

Biographie Octavio Paz

Der am 31. März 1914 in Mexico City geborene Octavio Paz gründet bereits im Alter von 17 Jahren eine eigene Literaturzeitschrift und veröffentlicht wenig später seinen ersten Gedichtband Luna Silvestre (1933). Er studiert Jura und Philosophie in Mexico City, bricht die Ausbildung ab und zieht nach Yukatan, wo er 1937 eine Schule für Arme mitbegründet.


Paz setzt sich fortan für die Arbeiterbewegung ein, distanziert sich allerdings nach dem Hitler-Stalin-Pakt von der Kommunistischen Partei. 1943 tritt Paz in den diplomatischen Dienst ein und wird 1946 nach Paris entsandt. Dort kommt er mit den Surrealisten in Kontakt und schließt mit André Breton Freundschaft.

Von 1946 bis 1968 vertritt er Mexiko als Diplomat in Indien, Frankreich und Japan. 1968 tritt er aus Protest gegen das Massaker an demonstrierenden Studenten auf dem Platz der drei Kulturen in seiner Heimatstadt von seinem Posten zurück. Danach lehrt er an verschiedenen Universitäten.
Der Schriftsteller Octavio Paz hat als Essayist und Dichter mehr als 50 Bände und ein Theaterstück publiziert. In seinen Essays beschäftigt er sich vor allem mit der mexikanischen Identität und ihren Mythen. Liebe und Erotik, Verlorenheit und Einsamkeit, Vergangenheit und Erinnerung sind seine lyrischen Themen. 1990 erhält er den Nobelpreis für Literatur.

Octavio Paz stirbt am 20. April 1998 im Alter von 84 Jahren.

Auszeichnungen

1998 Großkreuz Isabel la Católica
1994 Großkreuz der französischen Ehrenlegion
1990 Nobelpreis für Literatur
1984 Friedenspreis des Deutschen Buchhandels


1982 Neustadt International Prize for Literature
1982 Cervantes-Preis
1980 Premio Ollin Yolitztli
1978 Aigle d'Or
1977 Premio Nacional de Letras
1977 Premio Crítico de Editores de España
1977 Jerusalem-Preis
1963 Grand Prix international de poésie

Bibliographie

Das fünfarmige Delta. Gedichte

Spanisch und deutsch. Aus dem Spanischen von Fritz Vogelgsang und Rudolf Wittkopf, Suhrkamp Verlag, Berlin 2020, Taschenbuch, 217 Seiten, ISBN: 978-3-518-24138-7, 18.00 EUR

Das Labyrinth der Einsamkeit. Essay

Aus dem Spanischen und Einführung von Carl Heupel, Suhrkamp Verlag, Berlin 2017, Bibliothek Suhrkamp 404, Taschenbuch, 220 Seiten, ISBN: 978-3-518-24107-3, 14.00 EUR

Gedichte

Spanisch und deutsch. Übertragung und Nachwort von Fritz Vogelgsang, Suhrkamp Verlag, Berlin 2016, Bibliothek Suhrkamp 551, Taschenbuch, 325 Seiten, ISBN: 978-3-518-24053-3, 13.95 EUR