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Friedenspreis 1976

Max Frisch

1976 wird der Schweizer Schriftsteller und Architekt Max Frisch mit dem Friedenspreis ausgezeichnet. Die Verleihung findet am Sonntag, den 19. September 1976, in der Paulskirche zu Frankfurt am Main statt. Die Laudatio hält Hartmut von Hentig.

Begründung der Jury

Den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verleiht der Börsenverein im Jahre 1976Max Frisch, dem unerschrockenen Mann und geschworenen Feind von Selbstzufriedenheit, Vorurteilen und kollektiven Zwängen. Max Frisch benützt seine große Kunst als Instrument der Mahnung und Warnung, zu Provokation und Protest, für die Rechte des einzelnen, für Freiheit der Gedanken.


Er wird nicht müde, uns den Spiegel vorzuhalten, in dem wir erschrocken und betroffen unsere Unfähigkeit erkennen, den Frieden unter den einzelnen und den Gruppen zu wahren und zu festigen.

Reden

Sie, der Sie Ihr literarisches Handwerk so meisterhaft beherrschen, wenden es an im Kampf gegen Dummheit, Vorurteile und Selbstzufriedenheit. Sie tun das Ihre und auf Ihre Weise, um aufzuzeigen, daß Toleranz, Respekt vor dem Nächsten, ja sogar Nächstenliebe, Voraussetzungen für den Frieden sind.

Rolf Keller - Grußwort
Rolf Keller
Grußwort des Vorstehers

Max Frisch hat keine Utopien geschrieben. Er hat vielmehr den schwierigen Weg dorthin beschritten, hat die Hindernisse gezeigt und wie man sie überwindet. Er lehrt die Kleinarbeit, die Praxis: das Lesen der Wegekarte und ihres Maßstabs, das Frühaufbrechen und zur rechten Zeit rasten, bergauf langsam gehen und bergab nicht rasen, und wenn man sich verlaufen hat, nicht anderen die Schuld geben – das nützt nichts.

Hartmut von Hentig - Laudatio auf Max Frisch
Hartmut von Hentig
Laudatio

Ob der Überlebenswille der Gattung ausreichen wird zum Umbau unsrer Gesellschaften in eine friedensfähige, weiß ich nicht. Wir hoffen. Es ist dringlich. Das Gebet entbindet nicht von der Frage nach unserem politischen Umgang mit dieser Hoffnung, die eine radikale ist. Der Glaube an eine Möglichkeit des Friedens (und also des Überlebens der Menschen) ist ein revolutionärer Glaube.

Max Frisch - Dankesrede
Max Frisch
Dankesrede des Preisträgers

Chronik des Jahres 1976

+++ In der Frankfurter Rundschau wird Anfang Januar 1976 ein Gedicht mit dem Titel Artikel 3 von Alfred Andersch veröffentlicht, in dem er scharfe Kritik an der Praxis des Radikalenerlasses in der Bundesrepublik übt. +++ Der Bundestag verabschiedet im Februar ein Reformgesetz zum Paragraphen 218. Danach wird bei einem Schwangerschaftsabbruch in den ersten drei Monaten nach der Empfängnis bei ethischer, medizinischer oder sozialer Notlage der Frau Straffreiheit gewährt. +++ Am 9. Mai wird Ulrike Meinhof erhängt in ihrer Zelle aufgefunden. Laut Angaben der Gefängnisleitung beging sie Suizid. +++


In Kambodscha wird Anfang April der Führer der radikalkommunistischen Roten Khmer, Khieu Samphan, neues Staatsoberhaupt. +++ Ministerpräsident wird Pol Pot. Im Verlauf der folgenden radikalen Umgestaltung der Gesellschaft werden zwischen ein und zwei Millionen Menschen ermordet. +++ Im Soweto bei Johannesburg brechen Mitte Juni schwere Anti-Apartheid-Unruhen aus. Bei den Auseinandersetzungen sterben mehr als 170 Menschen, tausende Schwarze werden inhaftiert, vor allem Anhänger des verbotenen ANC, dessen Führer Nelson Mandela seit 1962 inhaftiert ist. +++ Die Anti-Atomkraft-Bewegung formiert sich angesichts der Teilgenehmigung für den Bau des Kernkraftwerkes im niedersächsischen Brokdorf. Bei einer Demonstration Ende Oktober vor dem Baugelände kommt es zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei. +++ Während einer Tournee des Liedermachers Wolf Biermann durch die Bundesrepublik beschließt das Politbüro der DDR im November dessen Ausbürgerung. Begründet wird die Entscheidung damit, dass sich sein Programm gegen die DDR und den Sozialismus richte. In einer Petition protestieren dreizehn führende Intellektuelle der DDR gegen die Ausbürgerung. +++

Biographie Max Frisch

Der am 15. Mai 1911 in Zürich geborene Max Frisch muss wegen des Todes seines Vaters das Germanistikstudium abbrechen. Er arbeitet daraufhin als freier Mitarbeiter für die Neue Züricher Zeitung und reist 1933 in deren Auftrag erstmals ins Ausland. Seine Reise-Erfahrungen verarbeitet er in späteren Werken.


1934 erscheint sein erster Roman, Jürg Reinhart. Zwei Jahre später beginnt Frisch ein Architekturstudium. Er eröffnet 1942 ein Architekturbüro in Zürich. Schon im ersten Jahr gewinnt er den ersten Preis in einem städtischen Wettbewerb für den Bau einer Freibadanlage, die heute als »Max-Frisch-Bad« unter Denkmalschutz steht. 1955 gibt er das eigene Architekturbüro auf, als ihm mit dem Roman Stiller ein internationaler Bucherfolg gelingt.

Kritiker und Leser sind gleichermaßen beeindruckt, wie Frisch mit Romanen wie Homo Faber (1957) und Dramen wie Biedermann und die Brandstifter (1958) die existentiellen Probleme des Individuums der postmodernen Gesellschaft thematisiert. So gehört er, neben Friedrich Dürrenmatt, zu den wichtigsten Vertretern der Schweizer Nachkriegsliteratur.

Politisch entwickelt sich Frisch nach 1945 zum Wortführer einer schweizerischen linken Intelligenz und zu einer Leitfigur der europäischen Sozialdemokratie.

Max Frisch stirbt am 4. April 1991 im Alter von 79 Jahren.

Auszeichnungen

1989 Heinrich-Heine-Preis der Stadt Düsseldorf
1986 Neustadt International Prize for Literature der University of Oklahoma
1985 Ernennung zum ausländischen Ehrenmitglied der American Academy of Arts and Sciences
1985 Commonwealth-Preis (Chicago)
1984 Ernennung zum Commandeur dans l’ordre des arts et des lettres
1979 Ehrengabe aus dem Literaturkredit des Kantons Zürich (abgelehnt)
1976 Friedenspreis des Deutschen Buchhandels


1973 Großer Schillerpreis der Schweizerischen Schillerstiftung
1965 Schiller-Gedächtnispreis des Landes Baden-Württemberg
1965 Jerusalempreis für die Freiheit des Individuums in der Gesellschaft
1962 Großer Kunstpreis der Stadt Düsseldorf
1958 Literaturpreis der Stadt Zürich
1958 Georg-Büchner-Preis
1958 Charles-Veillon-Preis der Stadt Lausanne
1955 Schleußner-Schueller-Preis des Hessischen Rundfunks
1955 Gesamtwerkspreis der Schweizerischen Schillerstiftung
1954 Wilhelm-Raabe-Preis der Stadt Braunschweig
1945 Preis der Welti-Stiftung für das Drama »Santa Cruz«
1942 Erster Preis in einem Architekturwettbewerb der Stadt Zürich
1940 Einzelwerkpreis für »Blätter aus dem Brotsack« der Schweizerischen Schillerstiftung
1938 Conrad-Ferdinand-Meyer-Preis der Stadt Zürich
1935 Einzelwerkpreis für »Jürg Reinhart« der Schweizerischen Schillerstiftung

 

Bibliographie

Homo faber. Ein Bericht

Suhrkamp, Frankfurt am Main 1957, Neuausgabe 1977, Taschenbuch, 208 Seiten, ISBN: 978-3-518-36854-1

Biedermann und die Brandstifter. Ein Lehrstück ohne Lehre. Mit einem Nachspiel

(Uraufführung am 29. März 1958 am Zürcher Schauspielhaus, Regie: Oskar Wälterlin); Suhrkamp, Frankfurt am Main 1958, Neuausgabe 1996, Taschenbuch, 96 Seiten, ISBN: 978-3-518-39045-0

Mein Name sei Gantenbein. Roman

Suhrkamp, Frankfurt am Main 1964, Neuausgabe 1975,Taschenbuch, 304 Seiten, ISBN: 978-3-518-36786-5