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Friedenspreis 1996

Mario Vargas Llosa

Der Stiftungsrat hat den lateinamerikanischen Schiftsteller Mario Vargas Llosa zum Träger des Preises gewählt. Die Verleihung fand während der Frankfurter Buchmesse am Sonntag, 6. Oktober 1996, in der Paulskirche statt. Die Laudatio hielt Jorge Semprún.

Begründung der Jury

Den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verleiht der Börsenverein 1996 Mario Vargas Llosa. Er hat Gleichheit und Gerechtigkeit als Bedingung des Friedens in das Zentrum seines erzählerischen und essayistischen Schaffens gestellt.


Sein Lebenswerk ist das Plädoyer für eine „Kultur der Freiheit“ und für „wahre Gerechtigkeit“ als unerläßliche Grundlage für das Leben des Individuums wie der Gesellschaft. Mit seinen Essays hat er in die Konflikte unserer Zeit eingegriffen.

Vargas Llosa ist ein Mann ungewöhnlicher Zivilcourage, der für seine Überzeugung kämpft, daß Politik von Moral nicht getrennt werden darf. Für ihn ist Frieden nicht allein eine Sache guten Willens, sondern erkennbarer und benennbarer Bedingungen. Dafür tritt der Weltbürger Mario Vargas Llosa streitbar ein.

Preisverleihung

Mario Vargas Llosa erhält die Urkunde aus den Händen des Vorstehers Gerhard Kurtze

Reden

Gerhard Kurtze
Grußwort des Vorstehers

In dieser peruanischen Wirklichkeit entzündet sich also das leidenschaftliche und luzide Feuer der Romankunst von Vargas Llosa. Diese Wirklichkeit ist es, die seine glühende Prosa entflammt, die subtil gewebt ist, erfinderisch und dicht, voller Emotionen und Ideen.

Jorge Semprùn - Laudatio auf Mario Vargas Llosa
Jorge Semprùn
Laudatio

Die Freiheit ist ein wertvolles Gut, aber kein Land, kein Mensch kann sich ihrer sicher sein, wenn er nicht in der Lage ist, sie sich zu eigen zu machen, sie auszuüben und sie zu verteidigen. Die Literatur, die dank ihrer atmet und lebt, die ohne sie erstickt, kann begreiflich machen, daß die Freiheit nicht ein Geschenk des Himmels ist, sondern eine Wahl, eine Überzeugung, eine Praxis und eine Reihe von Vorstellungen, die ständig bereichert und erprobt werden müssen.

Mario Vargas Llosa - Dankesrede
Mario Vargas Llosa
Dankesrede des Preisträgers

Chronik des Jahres 1996

+++ Bei den ersten demokratischen Wahlen wird der PLO-Chef Arafat mit 87,1 Prozent der Stimmen zum Vorsitzenden des Palästinensischen Autonomierates gewählt. +++ Bei den schwersten Bombenattentaten seit 1993 kommen in Jerusalem 27 Menschen ums Leben. Die islamische Untergrundorganisation Hamas bekennt sich als Urheber der Attentate. +++


Die britische Regierung räumt im März erstmals die Möglichkeit ein, dass die Rinderkrankheit BSE, bekannt als »Rinderwahnsinn«, auf den Menschen übertragen werden und das Creuzfeldt-Jakob-Syndrom verursachen kann. +++ Die deutsche Bundesregierung erkennt im April die aus Serbien und Montenegro bestehende Bundesrepublik Jugoslawien an und nimmt die 1992 abgebrochenen Beziehungen zu Belgrad wieder auf. +++ Im Juli verkündet China nach der Zündung des 45. atomaren Sprengsatzes als letzte offizielle Atommacht ihren Verzicht auf weitere Atomtests.
Der US-amerikanische Politologe Daniel Goldhagen diskutiert im Herbst erstmals in Deutschland öffentlich über die in seinem umstrittenen Buch »Hitlers willige Vollstrecker« veröffentlichen Thesen. Die Studie beruht auf der Annahme, der Massenmord in der NS-Zeit sei von Durchschnittsdeutschen verübt worden, die sich bereitwillig in den Dienst der Mordmaschinerie stellten. Ein historisch gewachsener Judenhass habe in Deutschland für eine breite Übereinstimmung zwischen der Bevölkerung und den Nationalsozialisten gesorgt. +++

Biographie Mario Vargas Llosa

Mario Vargas Llosa wurde am 28. März 1936 in der südperuanischen Stadt Arequipa geboren. Er verbrachte nach der Trennung seiner Eltern seine frühe Kindheit in Bolivien, bevor die Familie wieder nach Peru übersiedelte.


Schon gegen Ende seiner Schulzeit arbeitete Vargas Llosa in der Redaktion einer Lokalzeitung mit und schrieb erste Theaterstücke. Er begann ein Jura- und Literaturstudium, wobei er aber nur letzteres zum Abschluss brachte. Seine schriftstellerische Tätigkeit nahm in dieser Zeit im gleichen Maße zu, wie seine journalistische Betätigung abnahm.

1955 heiratete er im Alter von 18 Jahren die zehn Jahre ältere Julia Urquidi, mit der er neun Jahre zusammenlebte. Diese Beziehung verarbeitete er später in seinem Roman „Tante Julia und der Kunstschreiber“.

1958 erhielt Vargas Llosa ein Promotionsstipendium, das er in Madrid mit einer Dissertation über Gabriel García Márquez abschloss. Für eine Sammlung von Kurzgeschichten mit dem Titel „Die Chefs“ erhielt er 1959 den Leopoldo-Alas-Preis. Er ließ sich in Paris nieder und arbeitete dort für die französische Fernseh- und Rundfunkanstalt, als Englischlehrer und als Übersetzer für die ‚Agence France-Press’.

Großes Aufsehen erregte er 1963 mit seinem Roman „Die Stadt und die Hunde“, in dem er seine Jugenderlebnisse als Kadett in der peruanischen Militärschule beschreibt. Das Buch wurde in Lima öffentlich verbrannt.

1965 heiratete Vargas Llosa seine Cousine Patricia Llosa, mit der er drei Kinder bekam. 1967 übernahm er den Lehrstuhl für lateinamerikanische Literatur am Queen Mary College der London University. Er kehrte 1974 nach Peru zurück und versuchte sich als Moderator einer politischen Fernsehsendung.

1976 bis 1979 war er Präsident des Internationalen P.E.N.. In den 80er Jahren wandte sich Vargas Llosa verstärkt der Politik zu und gründete 1988 mit mehreren Freunden die peruanische Freiheitsbewegung ‚Movimiento Libertad’. 1990 bewarb er sich um das Amtdes Staatspräsidenten seines Landes. Er galt als Favorit, verlor aber überraschend in einer Stichwahl gegen Alberto Fujimoro. Nach der Wahlniederlage wandte Vargas Llosa sich wieder der Literatur zu. Er übernahm verschiedene Professuren an US-amerikanischen Universitäten und verfasste zahlreiche Essays für ‚El Pais’. 1993 erhielt er nach Übersiedlung die spanische Nationalität.

Mario Vargas Llosa lebt in London als Schriftsteller und Journalist. 2010 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.

Auszeichnungen

2014 Korrespondierendes Mitglied der Academia Brasileira de Letras
2012 Carlos-Fuentes-Preis
2011 Orden vom Aztekischen Adler
2011 Mitglied der American Academy of Arts and Sciences
2010 Nobelpreis für Literatur


2008 Prix mondial Cino Del Duca
2008 Freiheitspreis der Friedrich-Naumann-Stiftung
2002 PEN/Nabokov Award
2001 Großkreuz des Ordens El Sol del Perú
1999 Spanischer Journalistenpreis Ortega y Gasset
1998 National Book Critics Circle Award
1996 Friedenspreis des Deutschen Buchhandels
1995 Jerusalempreis für die Freiheit des Individuums in der Gesellschaft
1994 Cervantes-Preis
1989 Italienischer Literaturpreis „Scanno“
1988 Prix de la Liberté
1986 Prinz-von-Asturien-Preis
1986 Mitglied der American Academy of Arts and Letters
1985 Ritz-Paris-Hemingway Award
1963 Spanischer Kritikerpreis
1967 Rómulo-Gallegos-Preis
1962 Premio Biblioteca Breve
1958 Prix Leopold Alas


 

Bibliographie

Der Geschichtenerzähler. Roman

Aus dem Spanischen von Elke Wehr, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1992, ISBN 978-3-518-38482-4, Taschenbuch, 287 Seiten, 9.99 EUR

Die jungen Hunde. Erzählung.

Aus dem Spanischen von Wolfgang Alexander Luchting, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1991, ISBN 978-3-518-38341-4, Taschenbuch, 94 Seiten, 7.00 EUR

Das grüne Haus. Roman

Aus dem Spanischen von Wolfgang A. Luchting, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1976, ISBN 978-3-518-36842-8, Taschenbuch, 512 Seiten, 14.00 EUR

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Weitere Bücher

Kuwait : a desert on fire : eine Wüste in Flammen : un désert en feu

Fotografien von Sebastião Salgado, Konzept und Design von Lélia Wanick Salgado; übersetzt von Julia Heller (dt.) und Jacques Bosser (frz.) Taschen Verlag, Köln 2016, 205 Seiten, Festeinband, ISBN 978-3-8365-6125-9, € 49,99 / CHF 69,90 (UVP)

Duft der Träume – Reise in die Welt des Kaffees

Fotografien von Sebastião Salgado, hrsg., geplant und gestaltet von Lélia Wanick Salgado, übersetzt von Annegret Hunke-Wormser und Claudia Theis-Passaro Knesebeck Verlag, München 2015, 317 Seiten, Festeinband, ISBN 978-3-86873-884-1, € 59,00

Anderes Amerika (orig. »Autres Amériques«, 1986)

Fotografien von Sebastiao Salgado, Konzept und Layout von Lélia Wanick Salgado, aus dem Französischen von Bernd Weiß Knesebeck Verlag. München 2015, 127 Seiten, Paperback, ISBN 978-3-86873-863-6, €(D) 34.,95 / €(A) 36,00 / CHF 46,90 (UVP)

Salz der Erde

Fotografien von Sebastião Salgado (Themenheft »Du«-Magazin, Nr. 851) Du Kulturmedien, Zürich 2014, 98 Seiten, gebunden, ISBN 978-3-905931-47-1, € 15,00 / CHF 20,00 (UVP)

China. Vergangenheit - Gegenwart – Zukunft

Fotografien von Jonathan Spence, Sebastião Salgado, Henri Cartier-Bresson und Olivier Pin-Fat Reich terra magica, Wien 2008, 272 Seiten, gebunden, ISBN 978-3-7243-1011-2, € (D) 40,00 / € (A) 41,20 / CHF 49,50 (UVP)

Africa (engl./frz./dt.)

Fotografien von Sebastião Salgado, Texte von Mia Couto, hrsg. von Lélia Wanick Salgado, übersetzt von Dennis Wright (engl.), Astrid Paiva Boléo (dt.) und Françoise Veiga (frz.) Taschen Verlag, Köln 2007, 336 Seiten, gebunden, ISBN 978-3-8228-5621-5, € 60,00 / CHF 75,00 (UVP)

Sebastião Salgado. Photo Pocket

Fotografien von Sebastião Salgado, mit einer Einführung von Christian Caujolle Edition Braus im Wachter Verlag, Heidelberg 2006, 62 Blatt, kartoniert, ISBN 978-3-89904-238-2, € 12,90 / CHF 22,60 (UVP)

Fotos für die Pressefreiheit

Herausgegeben von Reporter ohne Grenzen / LebensWandel mit Fotografien von Volker Krämer, Jan von Banning, Sebastião Salgado, James Nachtwey, Manuel Bauer, Caroline Groszer und H. J. Burkard, Bearbeitung von Barbara Petersen TAZ, Berlin 2000, 100 Seiten, kartoniert, ISBN 978-3-9806917-0-3; €[D] 10,00 / €[A] 10,30 / CHF 19,20 (UVP)

Laudator Jorge Semprún

Jorge Semprún, geboren am 10. Dezember 1923 in Madrid als Sohn eines Juraprofessors, gilt als einer der herausragenden Schriftsteller und Denker. Seine Familie muss 1936 vor den Truppen Francos aus Spanien nach Frankreich fliehen. Semprún, der an der Pariser Sorbonne Literatur und Philosophie studiert, schließt sich 1941 einer kommunistischen Widerstandsgruppe gegen die deutsche Besatzung an.


1943 wird er von der Gestapo verhaftet und in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert. Nach der Befreiung kehrt er nach Paris zurück, arbeitet als Übersetzer bei der UNESCO und beteiligt sich am Widerstand gegen das Franco-Regime.

Seit den 60er Jahren rückt das literarische Schaffen in den Mittelpunkt seines Lebens. 1963 erscheint sein erster, autobiographischer Roman Die große Reise, für den er gleich zwei Literaturpreise erhält. Schon in diesem Roman, in dem er den Transport von Gefangenen nach Buchenwald nachzeichnet, ist sein von Rückblenden und assoziativem Erinnern geprägter Stil zu erkennen, der auch in den folgenden Romanen wiederzufinden ist. Mit den Mitteln der Fiktion die Fakten erkennbar zu machen, ist seine von der Kritik hochgelobte literarische Intention.
1988 kehrt Semprún aus dem Pariser Exil nach Madrid zurück und wird überraschend von Felipe González zum Kulturminister ernannt. Er verliert jedoch 1991 sein Amt, nachdem er den Zweiten Golfkrieg als »gerechten Krieg« bezeichnet hat, und konzentriert sich wieder auf das Schreiben. 1994 erhält er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Seine Essaysammlung Blick auf Deutschland (2003), in der auch die Rede vor dem Deutschen Bundestag zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus abgedruckt ist, findet weithin Beachtung.

Jorge Semprún stirbt am 7. Juni 2011 im Alter von 87 Jahren in Paris.