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Friedenspreis 1995

Annemarie Schimmel

Der Stiftungsrat hat die deutsche Islamwissenschaftlerin Annemarie Schimmel zur Trägerin des Preises gewählt. Die Verleihung fand während der Frankfurter Buchmesse am Sonntag, 15. Oktober 1995, in der Paulskirche statt. Die Laudatio hielt Bundespräsident Roman Herzog.

Begründung der Jury

Den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verleiht der Börsenverein 1995 Annemarie Schimmel. Ihr Lebenswerk gilt der Kenntnis und dem Verständnis des Islam, seinen innernen Leben und seiner kulturgenerierenden Begegnung mit dem Okzident.


Ihr Denken spürt jener für den Frieden unter den Völkern heute entscheidenden Möglichkeit der Synthese von Islam und Moderne nach, welche die Differenzierung der Werte aus dem Innern des Islam selbst zu gewinnen sucht. Inmitten erschreckender Signale des religiösen Fanatismus versteht der Börsenverein die Auszeichnung Annemarie Schimmels als ein Zeichen für die Begegnung, nicht für die Konfrontation der Kulturen, als ein Zeichen für Duldung, Poesie und Denkkultur, welche die Formen des Andersseins achtet.

Preisverleihung

Reden

Gerhard Kurtze
Grußwort des Vorstehers

Man kann auf die Dauer nicht miteinander leben, wenn man nicht miteinander redet und wenn man nichts voneinander weiß. Im Verhältnis zum Islam hat uns Annemarie Schimmel den Weg dazu geebnet, und im Verhältnis zu anderen Kulturen hat sie uns gezeigt, wie solche Wege gebaut werden können.

Roman Herzog - Laudatio auf Annemarie Schimmel
Roman Herzog
Laudatio

Martin Buber hat 1953 an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß die Akzeptanz des Gegenübers die Grundlage des Dialogs sei. Das gilt auch im Verhältnis des Westens zur islamischen Welt - sosehr auch nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes der Islam zum neuen Feindbild zu werden droht.

Annemarie Schimmel - Dankesrede
Annemarie Schimmel
Dankesrede der Preisträgerin

Chronik des Jahres 1995

+++ Die letzten 2400 Blauhelm-Soldaten verlassen im März 1995 Somalia. Im Verlauf der 1992 begonnenen Friedensmission starben 132 von ihnen bei Anschlägen. Nach dem Abzug der Truppen geht der Bürgerkrieg in Somalia weiter. Das Land versinkt durch die Machtinteressen der miteinander verfeindeten Clans im politischen Chaos. +++


Nach der Ermordung zweier Politiker kommt es im März in Burundi zu neuen Auseinandersetzungen zwischen den Hutu und den Tutsi. Bei einem Massaker ruandischer Regierungstruppen werden in Kibeho (Ruanda) etwa 2000 Hutu-Flüchtlinge getötet. +++ Ende April wird der erste Castor-Behälter mit Atommüll aus dem Kernkraftwerk Philippsburg ins Zwischenlager nach Gorleben gebracht. Ein Großaufgebot an Sicherheitskräften geht mit Wasserwerfern gegen die Kernkraftgegner vor, die den Transport zu verhindern suchen. +++ Die Situation in Bosnien-Herzegowina eskaliert, als die bosnischen Serben sich weigern, die von Blauhelm-Soldaten erbeuteten schweren Waffen abzugeben. NATO- Flugzeuge bombardieren daraufhin am 25. Mai ein Munitionslager der bosnischen Serben. Im Juli erobern bosnische Serben die Moslem-Enklave Srebrenica. Augenzeugen berichten von Massenhinrichtungen und -vergewaltigungen. Vom Internationalen Gerichtshof wird das Massaker als Völkermord eingestuft. Die Gegenoffensive der Kroaten löst die größte Flüchtlingswelle auf dem Balkan seit dem Zerfall Jugoslawiens aus. Im Dezember wird der im US-amerikanischen Dayton ausgehandelte Friedensvertrag für Bosnien-Herzegowina unterzeichnet. Der Bundestag billigt die Entsendung von 4000 deutschen Soldaten in das ehemalige Jugoslawien. ++++ Israels Premierminister Rabin und der PLO-Chef Arafat unterzeichnen Ende September ein Abkommen über die Ausweitung der Autonomie für die im Westjordanland lebenden Palästinenser. Am 4. November wird Yitzhak Rabin von einem rechtsradikalen Israeli während einer Friedenskundgebung in Tel Aviv ermordet. +++

Biographie Annemarie Schimmel

Annemarie Schimmel wurde am 7. April 1922 in Erfurt als Tochter eines Postbeamten geboren. Bereits mit 15 Jahren begann sie, Arabisch zu lernen. Sie übersprang zwei Schuljahre, legte mit 16 Jahren ihr Abitur ab und begann 1939 an der Universität Berlin zuerst Chemie und Physik und später Arabistik und Islamwissenschaften zu studieren.


Bereits 1941 promovierte sie und arbeitete bis zum Kriegsende als Übersetzerin im Auswärtigen Amt. 1946 habilitierte sie an der Universität Marburg, wo sie bis 1954 als Dozentin tätig war und 1951 in Religionsgeschichte mit dem Thema „Studien zum Begriff der mystischen Liebe in der frühislamischen Mystik“ abermals promovierte.

1954 folgte sie einem Ruf als Professorin für Religionsgeschichte an die Islamisch-Theologische Fakultät der Universität Ankara. 1961 ging sie nach Bonn, 1967 an die Harvard-University, wo sie ein indo-islamisches Institut aufbauen sollte. In den folgenden Jahren übernahm Annemarie Schimmel Lehraufträge an verschiedenen Universitäten im In- und Ausland.

Annemarie Schimmel erhielt 1995 vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels den Friedenspreis für ihr Lebenswerk. Die Entscheidung wurde zunächst allgemein begrüßt, dann aber geriet Schimmel wegen eines Interviews ins Kreuzfeuer öffentlicher Kritik. Sie warf dem Schriftsteller Salman Rushdie vor, über den Irans Revolutionsführer Ayatollah Khomeini 1988 ein Todesurteil verhängt hatte, mit seinem Roman „Die satanischen Verse“ auf eine „sehr üble Art die Gefühle einer großen Menge von Gläubigen“ verletzt zu haben. Später entschuldigte sich Schimmel und betonte, sie sei keine Fundamentalistin und unpolitisch im Sinne der Tagespolitik.

Zu ihrem 75. Geburtstag richtete die Universität Bonn ihr zu Ehren 1997 den Annemarie-Schimmel-Lehrstuhl für indo-islamische Kultur ein. Auch nach ihrer Pensionierung arbeitete sie noch an der Universität, hielt Seminare und Vorlesungen.

Annemarie Schimmel stirbt am 23. Januar 2003 in Bonn. Sie galt als eine der bekanntesten Islamwissenschaftlerinnen des 20. Jahrhunderts. Sie hat weit über 100 Bücher, Artikel und wissenschaftliche Veröffentlichungen publiziert.  

Auszeichnungen

2003 Muhammad-Nafi-Tschelebi-Medienpreis
2002 Dostlik-Orden der Republik Usbekistan
2001 Reuchlin-Preis der Stadt Pforzheim
1997 Ehrenmitglied des Zentralrats der Muslime in Deutschland


1996 Ägyptischer Verdienstorden für Kunst und Wissenschaft 1. Klasse
1995 Friedenspreis des Deutschen Buchhandels
1992 Dr.-Leopold-Lucas-Preis der Universität Tübingen
1989: Großes Bundesverdienstkreuz
1983 Ehrenhalbmond der Islamischen Republik Pakistan
1982 Bundesverdienstkreuz 1. Klasse mit Stern u. Schulterband
1980: Johann-Heinrich-Voß-Preis für Übersetzung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung
1965 Friedrich-Rückert-Preis der Stadt Schweinfurt

Bibliographie

Sufismus. Eine Einführung in die islamische Mystik

C.H. Beck Verlag, München, 6., durchgesehene Auflage 2018, 978-3-406-72828-0, Softcover, 127 Seiten, 9.95 EUR

Morgenland und Abendland. Mein west-östliches Leben

C.H. Beck Verlag, München, 4. Auflage 2003, 978-3-406-49564-9, Hardcover, 352 Seiten, 24.90 EUR

Die Zeichen Gottes. Die religiöse Welt des Islam

C.H. Beck Verlag, München, 3. Auflage 2003, 978-3-406-39754-7, Hardcover, 408 Seiten, 29.90 EUR

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Weitere Bücher

Kuwait : a desert on fire : eine Wüste in Flammen : un désert en feu

Fotografien von Sebastião Salgado, Konzept und Design von Lélia Wanick Salgado; übersetzt von Julia Heller (dt.) und Jacques Bosser (frz.) Taschen Verlag, Köln 2016, 205 Seiten, Festeinband, ISBN 978-3-8365-6125-9, € 49,99 / CHF 69,90 (UVP)

Duft der Träume – Reise in die Welt des Kaffees

Fotografien von Sebastião Salgado, hrsg., geplant und gestaltet von Lélia Wanick Salgado, übersetzt von Annegret Hunke-Wormser und Claudia Theis-Passaro Knesebeck Verlag, München 2015, 317 Seiten, Festeinband, ISBN 978-3-86873-884-1, € 59,00

Anderes Amerika (orig. »Autres Amériques«, 1986)

Fotografien von Sebastiao Salgado, Konzept und Layout von Lélia Wanick Salgado, aus dem Französischen von Bernd Weiß Knesebeck Verlag. München 2015, 127 Seiten, Paperback, ISBN 978-3-86873-863-6, €(D) 34.,95 / €(A) 36,00 / CHF 46,90 (UVP)

Salz der Erde

Fotografien von Sebastião Salgado (Themenheft »Du«-Magazin, Nr. 851) Du Kulturmedien, Zürich 2014, 98 Seiten, gebunden, ISBN 978-3-905931-47-1, € 15,00 / CHF 20,00 (UVP)

China. Vergangenheit - Gegenwart – Zukunft

Fotografien von Jonathan Spence, Sebastião Salgado, Henri Cartier-Bresson und Olivier Pin-Fat Reich terra magica, Wien 2008, 272 Seiten, gebunden, ISBN 978-3-7243-1011-2, € (D) 40,00 / € (A) 41,20 / CHF 49,50 (UVP)

Africa (engl./frz./dt.)

Fotografien von Sebastião Salgado, Texte von Mia Couto, hrsg. von Lélia Wanick Salgado, übersetzt von Dennis Wright (engl.), Astrid Paiva Boléo (dt.) und Françoise Veiga (frz.) Taschen Verlag, Köln 2007, 336 Seiten, gebunden, ISBN 978-3-8228-5621-5, € 60,00 / CHF 75,00 (UVP)

Sebastião Salgado. Photo Pocket

Fotografien von Sebastião Salgado, mit einer Einführung von Christian Caujolle Edition Braus im Wachter Verlag, Heidelberg 2006, 62 Blatt, kartoniert, ISBN 978-3-89904-238-2, € 12,90 / CHF 22,60 (UVP)

Fotos für die Pressefreiheit

Herausgegeben von Reporter ohne Grenzen / LebensWandel mit Fotografien von Volker Krämer, Jan von Banning, Sebastião Salgado, James Nachtwey, Manuel Bauer, Caroline Groszer und H. J. Burkard, Bearbeitung von Barbara Petersen TAZ, Berlin 2000, 100 Seiten, kartoniert, ISBN 978-3-9806917-0-3; €[D] 10,00 / €[A] 10,30 / CHF 19,20 (UVP)