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Friedenspreis 1981

Lew Kopelew

1981 wurde der ukrainische Schriftsteller Lew Kopelew mit dem Friedenspreis ausgezeichnet. Die Verleihung fand am Sonntag, den 18. Oktober 1981, in der Paulskirche zu Frankfurt am Main statt. Die Laudatio hielt Marion Gräfin Dönhoff.

Begründung der Jury

Den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verleiht der Börsenverein im Jahre 1981Lew Kopelew,dem in Kiew geborenen Germanisten, der wegen seiner humanen und moralischen Haltung einen Leidensweg durchschreiten mußte, aber dennoch von der Erkenntnis beseelt blieb, daß vorbehaltlose Wahrheit, bereitwilligste Toleranz und Menschenliebe, die alle Arten von Haß und Feindseligkeit überwindet, unerläßlich sind, soll die Menschheit in Freiheit und Frieden am Leben bleiben.

Reden

Günther Christiansen
Grußwort des Vorstehers

Ein Rebell, der keine Angst mehr hat vor den Mächtigen, deren Zorn er so oft zu spüren bekam, und der keine Achtung hat vor dem, was Georg Büchner »die Paradegäule und Eckensteher der Geschichte« nannte, dem kann niemand mehr etwas anhaben.

Marion Gräfin Dönhoff - Laudatio auf Lew Kopelew
Marion Gräfin Dönhoff
Laudatio

Heute müßte es bereits allen eindeutig klar sein, daß der Friede auf dieser Welt nur dann wirklich erhalten bleibt, wenn auch die Menschenrechte gesichert werden – die Rechte der kleinsten nationalen und sozialen Minderheiten und die Rechte jedes einzelnen Menschen. Deswegen sind alle, die sich heute für Menschenrechte einsetzen, wahre Friedenskämpfer.

Lew Kopelew - Dankesrede
Lew Kopelew
Dankesrede des Preisträgers

Chronik des Jahres 1981

+++ Nach Abschluss einer iranisch-amerikanischen Vereinbarung werden im Januar 1981 die Geiseln in der US-amerikanischen Botschaft nach 444 Tagen freigelassen. Am gleichen Tag wird Ronald Reagan als 40. Präsident der USA und Nachfolger von Jimmy Carter in sein Amt eingeführt. +++ Nachdem Bundeskanzler Helmut Schmidt Mitte Mai sein politisches Schicksal an die Zustimmung der SPD zum NATO-Doppelbeschluss knüpft und sie erhält, fordern am 10. Oktober in Bonn in der bisher größten Demonstration dieser Art 300 000 Menschen Frieden und Abrüstung und protestieren gegen die Stationierung von atomaren Mittelstreckenraketen in Europa. Auch in der DDR erreicht die unabhängige Friedensbewegung mit dem Motto »Schwerter zu Pflugscharen« und der Bewegung »Sozialer Friedensdienst« eine immer breitere Öffentlichkeit. +++


Anfang Oktober wird der ägyptische Staatspräsident Anwar as Sadat bei einer Militärparade ermordet. Mitglieder der islamischen »Organisation zur Befreiung Ägyptens« schießen mit Maschinengewehren auf die Ehrentribüne, dabei kommen sieben Menschen ums Leben und 28 werden verletzt. Sadat war wegen seiner Bemühungen um eine friedliche Beilegung des israelisch-ägyptischen Konflikts in der arabischen Welt als »Verräter« isoliert worden und hatte sich wegen seines harten Vorgehens gegen religiöse Extremisten innerhalb Ägyptens viele Feinde geschaffen. +++

Biographie Lew Kopelew

Lew Kopelew wird am 9. April 1912 in Kiew geboren und arbeitet, nach dem Studium der Germanistik, Philosophie, Literatur und Geschichte, während des Zweiten Weltkriegs in der sowjetischen Propagandaabteilung als »Instrukteur für Aufklärungsarbeit im Feindesheer«. 1945 wird er festgenommen, weil er angeblich »bürgerlich-humanistische Propaganda« verbreitet. Tatsächlich versucht er Ausschreitungen und Plünderungen durch sowjetische Soldaten beim Einmarsch in Ostpreußen zu verhindern. Kopelew bleibt die folgenden zehn Jahre in sowjetischen Lagern und Gefängnissen inhaftiert. In seiner Autobiographie Einer von uns. Lehr-und Wanderjahre eines Kommunisten (1985) verarbeitet er diese Erfahrungen.


1956 wird er rehabilitiert, doch zehn Jahre später aus der Partei ausgeschlossen und schließlich 1980 ausgebürgert, weil er sich für Kritiker des Regimes einsetzt. Konkreter Anlass ist sein öffentlicher Protest gegen die Behandlung des Regimekritikers und Friedensnobelpreisträgers Andrei Sacharow.
Kopelew wird aus der Sowjetunion ausgebürgert und zieht in die Bundesrepublik. Ihn verbindet eine enge Freundschaft mit Heinrich Böll. Gemeinsam gründen sie die Gesellschaft »Orient-Occident«, die Übersetzungen von unterdrückten Autoren in Osteuropa und der UdSSR fördert.

Im Jahr 1990 wird Kopelew von Michail Gorbatschow offiziell rehabilitiert. Von Deutschland aus setzt er sich weiterhin für Frieden und Verständigung und für die Einheit von Politik und Moral ein. Er geißelt die Politik Boris Jelzins während des Tschetschenien-Kriegs und fordert von westlichen Politikern eine stärkere Einmischung, um sich nicht mitschuldig zu machen.

Lew Kopelew stirbt am 18. Juni 1997 im Alter von 85 Jahren.

Auszeichnungen

1993 Goldene Goethe-Medaille der Goethe-Gesellschaft Weimar
1992 Senatsmedaille für Kunst und Wissenschaft der Freien Hansestadt Bremen
1991 Staatspreis des Landes Nordrhein-Westfalen
1991 Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis, zusammen mit Anja Lundholm
1983 Lessing-Ring zusammen mit dem Kulturpreis der deutschen Freimaurer
1981 Friedenspreis des Deutschen Buchhandels
1980 Friedrich-Gundolf-Preis

Bibliographie

Ein Dichter kam vom Rhein. Heinrich Heines Leben und Leiden

Aus dem Russischen von Helga Jaspers und Ulrich H. Werner. Vom Autor gemeinsam mit Edith Kaiser überarbeitete Ausgabe. München: Goldmann Taschenbuchverlag 1997.

Kinder und Stiefkinder der Revolution. Unersonnene Geschichten

Aus dem Russischen von Albert Knieriem und Elisabeth Markstein. Göttingen: Steidl 1997.

Und schuf mir einen Götzen. Lehrjahre eines Kommunisten

Aus dem Russischen von Heddy Pross-Weerth und Heinz-Dieter Mendel. Göttingen: Steidl 1996.

Tröste meine Trauer. Autobiographie 1947-1954

Aus dem Russischen von Heddy Pross-Weerth und Heinz-Dieter Mendel. Göttingen: Steidl 1996.

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Laudatorin Marion Gräfin Dönhoff

Marion Gräfin Dönhoff wird am 2. Dezember 1909 auf dem Familiensitz Schloss Friedrichstein in Ostpreußen geboren. Nach dem Abitur, das sie in Potsdam ablegt, studiert sie Volkswirtschaft in Frankfurt am Main. 1933 wechselt sie an die Universität Basel, wo sie zwei Jahre später promoviert.


1938 übernimmt sie die Verwaltung eines großen Güterkomplexes in Ostpreußen. 1945 flieht Marion Dönhoff in den Westen. Diese Erfahrung thematisiert sie in ihrem Buch Namen, die keiner mehr nennt (1962).

1946 beginnt sie ihre Arbeit in der Redaktion der Zeit und wird 1955 Ressortleiterin für Politik. Acht Jahre später übernimmt sie die Chefredaktion der Zeitung und Ende 1972 wechselt sie in die Position der Herausgeberin. In diese Zeit fällt auch die Gründung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, deren Vizepräsidentin sie bis 1981 ist.

Marion Gräfin Dönhoff setzt sich in den 60er Jahren für ein aktives Engagement in der deutschen Ostpolitik ein und plädiert für eine Politik der Versöhnung. Sie ist eine der meistgelesenen politischen Kommentatorinnen ihrer Zeit.

Marion Gräfin Dönhoff stirbt am 11. März 2002 im Alter von 92 Jahren.