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Aleida und Jan Assmann mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2018 ausgezeichnet

© Amélie Losier

Die deutsche Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann und der deutsche Ägyptologe und Kulturwissenschaftler Jan Assmann sind heute mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet worden. Die Verleihung fand vor rund 700 geladenen Gästen in der Frankfurter Paulskirche statt. Die Laudatio hielt der deutsch-amerikanische Literaturwissenschaftler Hans Ulrich Gumbrecht.

In ihrer gemeinsamen Dankesrede stellten Aleida und Jan Assmann die Bedeutung von Meinungsvielfalt und der Debatte in einer demokratischen Gesellschaft heraus, zeigten aber auch auf, wann Austausch an Grenzen stößt. „In der Demokratie kann man das Denken nicht delegieren und den Experten, Performern oder Demagogen überlassen. (…) Es stimmt, dass Demokratien durch Streit und Debatten gestärkt werden, aber auch in ihnen steht nicht alles zur Disposition. Es muss unstrittige Überzeugungen und einen Grundkonsens geben wie die Verfassung, die Gewaltenteilung, die Unabhängigkeit des Rechts und die Menschenrechte. Nicht jede Gegenstimme verdient Respekt. Sie verliert diesen Respekt, wenn sie darauf zielt, die Grundlagen für Meinungsvielfalt zu untergraben. Demokratie lebt nicht vom Streit, sondern vom Argument. Pöbeleien oder gar eine Eskalation polarisierender Symbole wie in Chemnitz führen in einen Zustand allgemeiner Verwirrung, legen die Demokratie lahm und machen sie betriebsunfähig für wichtige Aufgaben“, sagten die Preisträger.

Der Prozess des Erinnerns sei wichtiger und anspruchsvoller zugleich geworden. Jan und Aleida Assmann: „Das nationale Gedächtnis, das lange Zeit ein Sockel für Ehre, Stolz und Heldentum war, ist inzwischen komplexer, inklusiver und selbstkritischer geworden. Es ist eben nicht nur ein Sockel, der die Nation größer und mächtiger macht, sondern auch ein Spiegel der Selbsterkenntnis, der Reue und Veränderung. Die Nation ist kein heiliger Gral, der vor Befleckung und Entweihung – Stichwort ‚Vogelschiss’ – zu retten ist, sondern ein Verbund von Menschen, die sich auch an beschämende Episoden ihrer Geschichte erinnern und Verantwortung übernehmen für die ungeheuren Verbrechen, die in ihrem Namen begangen wurden.“

Solidarität müsse sowohl auf der Ebene der Gesellschaft, aber auch global gezeigt und immer wieder eingeübt werden: „Es kann nicht angehen, dass es eine neoliberale Freiheit für die Bewegung von Kapital, Gütern und Rohstoffen gibt, während Migranten an Grenzen festhängen und wir die Menschen, ihr Leid und ihre Zukunft vergessen. Die zentrale Frage ist ja nicht mehr, ob wir die Integration schaffen oder nicht, sondern wie wir sie schaffen. Im Moment sieht es fast so aus, als ginge die Entwicklung rückwärts. Die Verengung der öffentlichen Debatten auf wenige Themen trägt viel zur Aufheizung von Stimmungen, aber wenig zur Klärung und Bearbeitung anstehender Probleme bei.“

Im Bereich der Kultur, so Jan und Aleida Assmann, existierten keine starren Grenzen: „Kulturen überschreiten Grenzen durch den Import und Export von Büchern, durch Übersetzungen, Aneignungen und Umdeutungen. Durch Kontakt mit anderen Kulturen verwandeln sie sich, gehen ineinander über, inspirieren und modifizieren sich gegenseitig. Sie lassen sich weder stillstellen noch in nationale Grenzen einsperren.“

Der Laudator Hans Ulrich Gumbrecht stellte die „zweistimmige Lebensleistung“ der Preisträger heraus, die aufgrund ihrer unterschiedlichen Talente eine „zweifache Energie“ entwickelten. „Der nüchternen Klarheit von Aleidas Gedanken und Aleidas Sprache ist es gelungen, das vielleicht in einer Zeit allzu großspuriger Theorieentwürfe verspielte Recht wieder zu erringen, gehört und ernstgenommen zu werden.“ An Jan Assmann lobte Gumbrecht das „riskante Denken“, die „Freude an überraschenden und oft gegenintuitiven Vorstellungen“. Eine Lobrede sei aber unvollkommen, „wenn sie nicht auf die Familie von Jan und Aleida Assmann und auf ihre Liebe schaute – in einer Zeit, wo gerade Liebe und Familie alle Selbstverständlichkeit verloren haben“, sagte Gumbrecht.

Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins, bezeichnete die Preisträger als „Wegbereiter einer klugen und aufgeklärten Erinnerungskultur.“ Eine solche sei fundamental für das friedliche Zusammenleben auf Basis der Menschenrechte, die vor 70 Jahren in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte Niederschlag fanden. „Die Forschungen von Aleida und Jan Assmann sind Grundlagen dafür, wie eine moderne Gesellschaft aus der Vergangenheit lernen kann, um in Frieden und Freiheit leben zu können. Und für uns – für die Buchhandlungen und Verlage – ist die Vermittlung dieser Werte unsere ganz besondere Menschenpflicht“, sagte Riethmüller.

Seit 1950 vergibt der Börsenverein des Deutschen Buchhandels zum Abschluss der Frankfurter Buchmesse den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Preisträger waren neben dem bislang einzigen auszeichneten Ehepaar Alva und Gunnar Myrdal unter anderem Albert Schweitzer, Astrid Lindgren, Václav Havel, Jürgen Habermas, Susan Sontag, David Grossman, Liao Yiwu, Navid Kermani und im vergangenen Jahr Margaret Atwood. Der Preis ist mit 25.000 Euro dotiert.

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